Im Gespräch mit der Unternehmensleitung
„WER IN DER GKV ÜBER NACHHALTIGKEIT SPRICHT, DER SOLLTE DIREKT AN DIE HC:VISION DENKEN!“
Düsseldorf, den 24.03.2023
Nach gut drei Jahren Coronapandemie, kehrt ganz langsam auch in der GKV wieder Normalität ein. Zeit für uns, zusammen mit der Unternehmensleitung der hc:VISION, nicht nur einen Blick auf die vergangenen drei Jahre zu werfen. Zusammen mit Volker Keim (CTO), Jörg Schreiber (COO) und Michael Schaaf (CEO) sprechen wir auch über die Gegenwart und die nächsten Jahre. Dabei spielen Themen wie Nachhaltigkeit ebenso eine Rolle, wie die aktuellen IT-Hype-Themen Chat GPT und Blockchain.
WO SEHEN SIE HC:VISION AM ENDE DER DREIJÄHRIGEN PANDEMIE?
Jörg Schreiber: Wir sind als Unternehmen sehr gut durch die Pandemie gekommen und müssen uns nunmehr in einem immer schneller werdenden Technologiemarkt beweisen. Dies ist in zweifacher Weise herausfordernd: Einerseits werden Technologietrends wie KI unser derzeitiges Handeln in den nächsten 24 Monaten komplett verändern, andererseits müssen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Corona „mitnehmen“ und auf diese Herausforderungen einstellen. Ich beobachte aber mit Freude, wie schnell und offen sich alle im Team auf Herausforderungen wie z.B. ChatGPT einstellen.
Volker Keim: Es klingt paradox, aber obwohl wir im wahrsten Sinne des Wortes in- und extern größeren Abstand halten mussten, sind wir als hc:VISION enger zusammengerückt. Dennoch ist es noch immer mühsam, die Kundengespräche wieder live und ohne virtuelle Elektronik zu planen. Doch dieses Zusammenrücken findet auch mehr und mehr wieder mit unseren Kunden statt.
Michael Schaaf: Die letzten drei Jahre hatten zeitweise etwas unwirtliches und waren von viel persönlicher und unternehmerischer Unsicherheit geprägt. Hinzu kam die von Volker eben beschriebene Distanz. Ich war ehrlich gesagt nicht sicher, wie wir – im psychologischen Sinne – aus der Pandemie herauskommen werden. Jetzt bin ich sehr positiv überrascht, wie schnell wir auch als Team wieder Fahrt aufgenommen haben und wie groß die Energie im Hause ist. Man spürt das übrigens, so wie Jörg das eben schon sagte, besonders bei der Beschäftigung mit neuen Themen. Aber dazu kommen wir vermutlich später noch.
Wirtschaftlich – und das ist vielleicht das Wichtigste – sind wir gut durch die Pandemie gekommen. Wir sind als Unternehmen sogar gewachsen und investieren gerade massiv in Zukunftsthemen.
WENN SIE ZURÜCKSCHAUEN: WAS WAREN AUS SICHT DER UL DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN?
Volker Keim: Natürlich die fehlende Nähe, das Vier- oder Mehr-Augengespräch, das ohne virtuelle Grenzen nicht stattfinden konnte. Dennoch konnten wir uns vom ersten Tag an gut an die Begebenheiten anpassen – da hatten wir es wahrscheinlich auf Grund unserer Infrastruktur einfacher als viele andere.
Daneben war eine der größten Herausforderungen die Unsicherheit, was als nächstes passieren würde und wie man mit immer wechselnden Situationen schnell und gut umgehen konnte.
Michael Schaaf: Kommunikation! Wir haben uns zwar permanent bemüht, möglichst viele Informationen über den Stand der Pandemie und die möglichen Auswirkungen auf das Unternehmen zu kommunizieren. Allerdings wurde das im Verlauf der Pandemie immer schwieriger, weil – das ist meine ganz persönliche Sicht – die Politik sich zunehmend selbst immer widersprüchlicher verhalten hat. Nehmen Sie nur das Beispiel „Osterlockdown“. Wie soll man sowas kommunizieren?
Ich will es mal so ausdrücken: Die politischen Rahmenbedingungen einschließlich der Kommunikation in diesen außerordentlich belastenden Zeiten, waren nicht immer die besten und haben es kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht gerade leicht gemacht, heil durch die Pandemie zu kommen…
Jörg Schreiber: Ich möchte eine etwas andere Nuancierung setzen: Wenn ich an die letzten 3 Jahre Corona denke, denke ich an Vollbremsung – nicht an Entschleunigung, an Distanz statt sozialer Nähe, an Unsicherheit statt Sicherheit, an Willkür statt Freiheit. Daraus noch das Beste für unser Unternehmen und für uns selbst zu machen, war die größte Herausforderung und das haben wir mit Bravour gemeistert.
Auf der anderen Seite hat uns die Zeit Gelegenheit gegeben, die letzten Jahre Revue passieren zu lassen. Wir, als Geschäftsleitung, haben die Zeit auch genutzt, uns selbst zu hinterfragen und unser zukünftiges Handeln daraus abzuleiten. Dies war für uns ein sehr wichtiger Prozess.
GIBT ES ETWAS BESONDERES, DAS SIE PERSÖNLICH ABER AUCH ALS UNTERNEHMER GELERNT HABEN?
Jörg Schreiber: Wir können in der Extremsituation wie einer solchen Pandemie erkennen, worauf es wirklich ankommt und was Zufriedenheit und Wohlstand schafft. Lernen sollte man aus der Pandemie aus meiner Sicht auch retrospektiv, denn es sind viele Dinge in unserem Land nicht gut gelaufen und ich hoffe, dass wir uns als Gesellschaft trauen, diese Themen aufzuarbeiten und für die Zukunft besser zu machen. Allerdings bin ich auch ein wenig stolz auf unseren Mikrokosmos hc:VISION, denn wir haben die Zeit als Team sehr gut gemeistert. So werden wir auch die zukünftigen Herausforderungen nur als hc:VISION Team meistern können und das konnten wir uns in dieser Zeit auch vor Augen führen.
Michael Schaaf: Für mich war die Zeit gerade auch ein Lehrstück in Sachen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Hier bin ich sehr stolz auf die gesamte hc:VISION-Mannschaft, die sich immer wieder und sehr schnell an neue Rahmenbedingungen anpassen musste – und das glänzend getan hat. Das war im Nachhinein von überragender Bedeutung, denn die andere Seite dieser Medaille ist, dass wir auch lernen mussten, dass wir uns letztlich nur auf uns selbst verlassen können. Insofern habe ich als Mensch und Unternehmer gelernt, optimistisch in die Zukunft zu schauen, weil ich jetzt weiß, was wir unter schwierigsten Umständen zu leisten im Stande sind.
Volker Keim: Ich kann das zuvor von den Kollegen gesagte alles unterstreichen. Die Basis für ein gutes Unternehmen in einer solchen Ausnahmesituation sind die Mitarbeiter, die sich als Gruppe gegenseitig unterstützen – und das gilt natürlich auch außerhalb der Pandemie.
LASSEN SIE UNS EINEN BLICK AUF DAS MARKTUMFELD DER HC:VISION WERFEN: WELCHE VERÄNDERUNGEN LASSEN SICH HIER ERKENNEN?
Volker Keim: Viele sind davon ausgegangen, dass nach der Pandemie alles wieder wie vor der Pandemie sein wird. Das war und ist eine falsche Annahme. Wenn man das akzeptiert, dann fällt einem die Umstellung auf die Zeit danach leicht. Schwer fällt es denjenigen, die eben an keine großen Änderungen geglaubt haben – und genau diese Unterschiede fallen auch im Markt auf.
Dennoch ist eine Art Nachholbedarf zu beobachten. Viele Projekte unserer Kunden, die kurzfristig auf Eis gelegt worden sind, stehen wieder auf der Tagesordnung und entfachen eine hohe Dynamik – es gibt viel aufzuholen.
Michael Schaaf: Die Situation in unserem Markt ist außerordentlich komplex. Da ist einerseits die prognostizierte Finanzierungslücke für die GKV, die z.B. von IGES für 2024 auf 25 Mrd. Euro und für 2025 sogar auf über 30 Mrd. Euro geschätzt wird. Andererseits ist da die dringende Notwendigkeit, nahezu das gesamte System zu modernisieren. Denken Sie nur an die demographische Entwicklung und die Herausforderungen, die in der Pflege als Gesellschaft insgesamt vor uns liegen.
Das Managen des Spannungsfeldes zwischen Finanz- und Modernisierungsbedarf, sowie der gesellschaftlichen Herausforderungen unter dem Stichwort „Alternde Gesellschaft“, ist m.E. DIE Herausforderung der nächsten Jahre im Gesundheitswesen.
GIBT ES AUS IHRER SICHT BESONDERE HERAUSFORDERUNGEN, VOR DENEN DIE GKV IN DEN NÄCHSTEN JAHREN STEHT?
Volker Keim: Nicht neu – aber unverändert aktuell: Digitalisierung! Vor der Pandemie war die Digitalisierung etwas, dass man machen musste, um nicht „abgehängt“ zu werden und weil der Druck von verschiedenen Seiten hoch war „dabei zu sein“. Heute ist die Digitalisierung keine Strategie mehr – sie ist überlebensnotwenig.
Jörg Schreiber: Insbesondere nach Corona, das sehe ich genau wie Michael, steht für mich ein großes Fragezeichen hinter der Finanzierbarkeit des gesamten Systems. Und natürlich ist es so, wie Volker sagt: Neben der Finanzierbarkeit, ist die radikale Veränderung durch den Einsatz neuester Technologien eine der größten Herausforderungen in der GKV.
Es wird notwendig sein, eine Balance zu finden zwischen dem Einsatz von Technologien wie bspw. ChatGPT und dem Wunsch der Versicherten nach menschlicher Nähe in den sogenannten „Wechselfällen des Lebens“. Nur wenn sich Technologie und Menschlichkeit in Balance befinden, kann es gelingen, dass die Versicherten die technologischen Möglichkeiten auch als persönliche Bereicherung annehmen.
Das wir den Technologietrends auch in der GKV folgen müssen, daran besteht für mich kein Zweifel. In spätestens 24 Monaten ist der Einsatz von KI in den internen Prozessen und im Kundenservice sicher keine Vision mehr, und es wird unser Handeln verändern und bestimmen.
Michael Schaaf: Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen! Übrigens nicht nur wegen der eben genannten finanziellen- und gesellschaftlichen Themen. Der demographische Wandel wird die Kassen als Organisationen vor enorme Herausforderungen stellen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden die „Babyboomer“ in Rente gehen. Die Kassen werden dann den Fachkräftemangel mit voller Wucht zu spüren bekommen.
Gleichzeitig geht eine erfahrene und sturmerprobte Managergeneration von Bord. Den Kassen bleibt daher nicht viel Zeit, sich einerseits als moderner, wettbewerbsfähiger Arbeitgeber zu präsentieren, der mit den besten Unternehmen der freien Wirtschaft erfolgreich den Kampf um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestehen kann. Zugleich führt kein Weg daran vorbei, sich technologisch und prozessseitig so modern aufzustellen, dass ein Mangel an Fachkräften kompensiert werden kann, ohne dass die Servicequalität darunter leidet.
NACHHALTIGKEIT IST EIN BEGRIFF, DEN MAN AUCH AUS DEM GESUNDHEITSWESEN IMMER HÄUFIGER HÖRT. NATÜRLICH AUCH IM HINBLICK AUF DIE DIENSTLEISTER. WAS BEDEUTET NACHHALTIGKEIT AUS IHRER SICHT? IST DIE HC:VISION EIN NACHHALTIGES UNTERNEHMEN?
Jörg Schreiber: Der wichtige Begriff der „Nachhaltigkeit“ wird zurzeit leider oftmals branchenübergreifend inflationär genutzt und zu Marketingzwecken missbraucht. Im Prinzip ist es doch ganz einfach, Nachhaltigkeit bedeutet, Wirtschaften im Einklang von Mensch und Natur. Als Familienunternehmen tragen wir diese Verantwortung in unserem gesamten Handeln und versuchen alles auch im Kontext dieser Nachhaltigkeit zu bewerten, damit auch die nächsten Generationen diesen Planeten noch genießen dürfen. Nachhaltigkeit bedeutet aus meiner Perspektive auch Innovationsoffenheit, wir brauchen Wachstum in der Balance von Mensch und Natur. Insofern sehe ich die hc:VISION schon als nachhaltiges Unternehmen.
Volker Keim: Nachhaltigkeit gibt es in verschiedenen Nuancen. In der Softwareentwicklung kann Sie genauso gelebt werden, wie in anderen Lebensbereichen. So versuchen wir, durch den Einsatz unserer Technologien zu einem Gesamtsystem beizutragen, das durch neue Anforderungen und neuer Entwicklungstrends permanent mitwachsen kann, ohne dass große Teile des Systems ausgetauscht werden müssen. Dies schafft bei unseren Kunden eine maximale Flexibilität und gleichzeitig eine hohe Wertbeständigkeit in den Lösungsprozessen.
Michael Schaaf: Sie sehen schon an den Antworten von Jörg und Volker, dass Nachhaltigkeit ein Thema ist, das wir intern sehr intensiv und ernsthaft diskutieren. Ich sage bewusst „ernsthaft“, weil wir – da bin ich absolut bei Jörg – den Eindruck haben, dass Nachhaltigkeit auch ein Begriff ist, der häufig nur deshalb verwendet wird, um sich in einem besonderen Licht zu präsentieren. Die Grenze zum „Greenwashing“ ist allerdings auch im Gesundheitswesen oftmals nicht weit. Was die hc:VISION angeht, so halten wir den Ball bewusst flach, auch wenn ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind, ein nachhaltiges Unternehmen zu werden. So sind wir 2020 ganz bewusst in ein komplett neues Bürogebäude gezogen, das den aktuellen Anforderungen an Energieeffizienz entspricht. Wir haben eine moderne Regelung für unsere Kolleginnen und Kollegen im Hinblick auf mobiles Arbeiten. Wir haben unsere Dienstreisen auf ein Minimum reduziert. Dabei ist die Bahn das bevorzugte Reisemittel. Das sind nur einige Maßnahmen.
Unsere zentrale Mission ist es aber, unseren Kunden Lösungen zur Verfügung zu stellen, die ihnen dabei helfen, die eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Das gilt beispielsweise für die Optimierung und damit Vereinfachung aller kundennahen Prozesse, aber eben auch für den effizientesten Arbeitsplatz in einer immer mobiler werden Arbeitswelt.
Wie ernst wir das Thema nehmen, kann man auch daran erkennen, dass wir in diesem Jahr freiwillig unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht auf den Weg bringen wollen, obwohl wir dazu eigentlich erst ab 2026 verpflichtet wären. Anders als viele Unternehmen derzeit, wollen wir dabei nicht alleine das Thema CSR (Corporate Social Responsibility) betrachten, sondern die viel konkreteren ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) berücksichtigen. Last but not least schärfen wir aktuell auch unsere Unternehmensleitlinien im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit.
WELCHE BEDEUTUNG HAT NACHHALTIGKEIT AUS SICHT DER KASSEN?
Jörg Schreiber: Interessante Frage. Scheinbar eine sehr herausgehobene.
Michael Schaaf: Nachhaltigkeit ist für die Kassen heute ein herausgehobenes strategisches Thema. Wir nehmen hier einerseits erhebliche und sehr begrüßenswerte Anstrengungen war. Andererseits haben die Kassen – wie jedes Unternehmen – auch mit Zielkonflikten der Nachhaltigkeit zu kämpfen. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen erörtern:
In den Nachhaltigkeitsberichten der Kassen spielt der CO2-Fußabdruck, den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – insbesondere durch die Fahrten vom Wohnort zum Büro verursachen – meistens die zentrale Rolle. Der zentrale Steuerungsansatz besteht nun darin, die Homeofficeregelungen besonders attraktiv zu gestalten, damit möglichst viele der Kolleginnen und Kollegen von zu Hause arbeiten. Gleichzeitig wissen wir aus vielen Gesprächen und aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten, dass Homeoffice nicht nur positive Effekte hat. Vorstände beklagen beispielsweise eine gesunkene Bindung zum Unternehmen. Wir hören auch immer wieder, dass die Qualität der Arbeit unter der Distanz zwischen Mitarbeiter und Unternehmen leiden würde. „McKinsey Quarterly“ vom März des letzten Jahres, weist z.B. daraufhin, dass Mitarbeiter kündigen, weil sie erschöpft sind, durch den Stress in der Homeoffice-Isolation während Corona. Zahlreiche Studien – insbesondere aus asiatischen Ländern – weisen ebenfalls auf mögliche negative Folgen durch Homeoffice hin:
Dauerhaftes Homeoffice, so diese Studien, belastet die mentale Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer enorm, da die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit nicht immer trennscharf sind. Man könne nicht mehr richtig abschalten und hat das Gefühl dauerhaft online verfügbar sein. Außerdem wird die verordnete soziale Isolation als Störung eines grundlegenden menschlichen Bedürfnisses angesehen, nämlich der Teilhabe an einer Gemeinschaft. Es gibt also einen Zielkonflikt zwischen der Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens und dem Ziel der Reduktion des CO2-Fußabdrucks. Oder bezogen auf die ESG-Kriterien, einen Zielkonflikt zwischen E (Environment) und S (Social) im Hinblick auf die Kriterien „Mitarbeitende“ sowie „Sicherheit und Gesundheit“.
Zweites Beispiel: Nahezu alle Kassen weisen konsequenter Weise in ihren Nachhaltigkeitsberichten darauf hin, dass sie ihren Energiebedarf über Ökostrom beziehen. Solange aber der Anteil an Kohle- und Braunkohleverstromung in Deutschland so hoch bleibt, wie er derzeit ist, um beispielsweise die Netzstabilität zu gewährleisten, ist das zwar nachvollziehbar – aber nicht vollends überzeugend. Hier müsste man schon sehr ins Detail gehen, um evtl. auch einen Zielkonflikt zwischen der genutzten erneuerbaren Energie und Naturschutz zu betrachten. Alles in allem ist das ein sehr kompliziertes Thema.
WIE KANN DENN EINE ERFOLGREICHE NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE AUS KASSENSICHT AUSSEHEN?
Michael Schaaf: Kein Unternehmen kann es sich heute noch erlauben, das Thema Nachhaltigkeit zu ignorieren. Die Herausforderung besteht aber nun einmal darin, auch die zahlreichen Zielkonflikte ehrlich und offen zu betrachten. Ob es eine hundertprozentig überzeugende Nachhaltigkeitsstrategie gibt, vermag ich nicht zu sagen. Allerdings sollte man versuchen, dem Ideal so nahe wie möglich zu kommen. Das bedeutet aus meiner Sicht vor allem, dass z.B. Organisation und Prozesse grundsätzlich möglichst schlank und effektiv gestaltet sein müssen. IT spielt hier eine sehr wichtige Rolle.
Für uns bedeutet das, dass unsere Lösungen künftig auch immer den Nachhaltigkeitsaspekt im Blick haben müssen. Das gilt selbstverständlich zunächst für unsere eigene Entwicklungsarbeit. Unsere Vision ist es aber, dass wir einen wichtigen Beitrag leisten, um die Nachhaltigkeitsstrategien unserer Kunden zu unterstützen. Wir bezeichnen das als „Nachhaltiges HealthCare Relationship Management mit hc:VISION“. Das Ziel ist klar: Wer in der GKV über Nachhaltigkeit spricht, der soll direkt an die hc:VISION denken!
Jörg Schreiber: Jede positive Veränderung und Innovation im Sinne des Unternehmenszwecks der Kasse, die im Einklang von Mensch und Natur steht, hat einen Einfluss auf eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie. Diese kleinen Veränderungen können dazu beitragen, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schärfen und zu einer nachhaltigen Unternehmenskultur beizutragen. Das ist das Prinzip der kleinen Schritte als Beitrag.
LASSEN SIE UNS ÜBER EINE ANDERE TECHNISCHE ENTWICKLUNG SPRECHEN, DIE DERZEIT IN ALLER MUNDE IST: CHATGPT STEHT FÜR EINE REVOLUTIONÄRE ENTWICKLUNG IM BEREICH KÜNSTLICHE INTELLIGENZ. WAS BEDEUTET DIESE ENTWICKLUNG FÜR DIE KASSEN?
Jörg Schreiber: Eingebunden in diverse Onlinedienste sowie in die internen Kundenprozesse, wird ChatGPT nachhaltig die Qualität der Kundenprozesse einer Krankenkasse beeinflussen. Mit Steigerung der Inputqualität werden demzufolge Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten positiv beeinflusst werden. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sowie des Kostendrucks, könnte dies für die Kassen ein entscheidender Faktor werden.
Volker Keim: Es ist aktuell noch kein klares Bild erkennbar, dennoch ist bereits jetzt klar, dass auf die Kassen völlig neues Beratungsansätze zukommen. Mensch zu Mensch Kommunikationen werden bleiben, jedoch sind es gerade die eher alltäglichen und einfachen Beratungsaufgaben, die durch solche Ansätze perfekt abgebildet werden können.
Auch haben wir bereits gute Erfahrungen in der Interpretation von freien Anfragen gemacht, mit denen sich ganze Prozesse realisieren bzw. starten lassen – sehr spannende Ansätze!
Michael Schaaf: Die Veröffentlichung von ChatGPT hat in der Tat große Wellen geschlagen. Wir befinden uns jedoch erst am Anfang einer größeren Revolution, dessen Ausgang noch nicht absehbar ist. Die Einsatzmöglichkeiten haben jedenfalls ein enormes Potential für die Kassen: Angefangen von einer fast menschgleichen Interaktion zwischen Versicherten und Kundenservice z.B. in der Onlinegeschäftsstelle (OZG), bis hin zur internen Optimierung der Bescheiderstellung.
Jörg hat eben bereits darauf hingewiesen: Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden sich Möglichkeiten ergeben, die noch bis vor kurzem undenkbar schienen.
WIE STELLEN SIE SICH AUF CHATGPT UND CO. EIN?
Michael Schaaf: Wir verfolgen die Entwicklungen in diesem Bereich mit großem Interesse und diskutieren bereits erste Einsatzmöglichkeiten bei den Kassen. Als Technologiepartner ist es unser Anspruch unsere Kunden mit den innovativsten Lösungen für das Gesundheitssystem zu versorgen und wir sehen eine enorme Chance in der Adaption dieser Anwendungen.
Jörg Schreiber: Wir investieren heute bereits Zeit und Ressourcen in die Einbindung von Technologien wie beispielsweise ChatGPT in unsere Produktpalette und sehen, dass die Einbindung von diesen Technologien unsere Produkte und somit auch die unterstützenden Prozesse auf ein anderes Qualitätsniveau heben wird. Besonders großes Potenzial sehen wir in den kundenorientierten Prozessen, beispielsweise wenn Kunden im Rahmen von Onlinediensten Fragen haben. Microsoft selbst spricht von „Co-Piloten“ für den Kundenservice, sprachgesteuert und wissensorientiert.
Allerdings stehen wir noch am Anfang. Wir werden daher auch für uns die Möglichkeiten verifizieren, KI Technologien in unsere Programmierungsprozesse einzubinden. Unsere Hoffnung ist, dass diese Technologie in den nächsten Generationen die Produktivität der Programmierung erhöhen wird. KI könnte – so die Vorstellung – zum treuesten Wissensassistenten, um nicht zusagen „Co-Piloten“, in unseren Prozessen und Produkten werden.
Volker Keim: Zum einen ist es strategische Offenheit, mit der wir auf solche neuen Ansätze zugehen. Etwas, das wir übrigens im Unternehmen ausdrücklich fördern. Zum anderen bereiten wir uns aufgrund der eingesetzten service-orientierten Technologien darauf vor, weitere Systeme und Technologien idealtypisch einzubinden. Das vereinfacht die Integration solcher neuen Ansätze und macht ihre Erprobung zum Teil sogar spielerisch.
Michael Schaaf: Lassen Sie mich noch eines ergänzen. Trotz der berechtigen Euphorie, die man bei uns findet, sind wir uns auch der Herausforderungen bewusst, die neue Technologien mit sich bringen. Da wäre zum einen die Frage, wie sich der Umgang mit den sensiblen Daten der Versicherten und einer KI-Anwendung vereinbaren lässt. Oder wie ein KI-Modell in der Kundenberatung am besten angelernt werden kann. Wir erwarten im Laufe des Jahres die ersten marktreifen Modelle von Microsoft, Google und Co., stellen uns aber schon heute diese Fragen, um auf die Entwicklung konkreter Anwendungen für unsere Kunden vorbereitet zu sein.
GIBT ES WEITERE TECHNOLOGIETHEMEN, DIE AUS IHRER SICHT IN NÄHERER ZUKUNFT EINE GRÖSSERE BEDEUTUNG HABEN WERDEN
Volker Keim: Ansätze wie ChatGPT werden unsere Art, mit Fragen und Beratungen umzugehen, auf ein neues Level heben. Kommunikationswege im Allgemeinen werden einfacher, vielfältiger und digitaler durch neue Ansätze.
Ein weiterer Aspekt neuer Technologiefelder in der GKV wäre der Einsatz von Blockchain und Smart Contracts, was zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen den Protagonisten Patient, Leistungserbringer und Krankenversicherung stark vereinfachen – ich würde sogar sagen revolutionieren – würde.
Jörg Schreiber: Das sehe ich ganz genauso. Neben ChatGPT bzw. den KI-Themen, sehen wir in der Blockchain Technologie für uns Möglichkeiten, unsere Produkte ganzheitlicher und in Teilen auch neu zu denken. So werden wir z.B. bei Verifizierungen von Transaktionen auf dieser Basis neue Möglichkeiten haben. Dies eröffnet uns bei unserem INTRACON:bk in der Zukunft ganz andere Möglichkeiten z.B. bei der Signatur von Dokumenten.
Michael Schaaf: Ein weiteres Technologiefeld, von dem wir glauben, dass es erhebliche Mehrwerte für den GKV-Bereich bieten kann, ist – die Kollegen sagten es bereits – die Blockchain. Mit Hilfe dieser Technologe lassen sich Daten dezentral, transparent und sicher speichern. Außerdem kann man bei Einsatz einer solchen Lösung den Patienten die volle Kontrolle über ihre Daten geben. Eine innovative Form des Datenschutzes, die vor allem im Zuge der kontinuierlich steigenden Bedrohung der Cyberkriminalität für die Kassen interessant sein dürfte.
LAST BUT NOT LEAST: WAS KÖNNEN WIR VON DER HC:VISION IN DER NÄCHSTEN ZEIT ERWARTEN?
Jörg Schreiber: Wir werden uns den anstehenden technologischen Herausforderungen kurzfristig insbesondere auch personell stellen. Unser Ziel ist es, mit dem richtigen Know-how an Bord, in Zukunft noch besser und schneller auf die Möglichkeiten der neuen Technologien reagieren zu können. Dies bedeutet für unsere Kunden, dass wir nicht nur weiterhin ein verlässlicher Partner, sondern auch am technologischen Puls der Zeit sein werden. Das alles ist aber kein Selbstzweck, sondern dient immer nur der Optimierung der GKV im Sinne unseres kleinen Veränderungsbeitrages.
Volker Keim: Wir sehen uns nach wie vor nicht nur als Lieferant und Beratung von Softwarekomponenten, sondern wir schauen zusammen mit unseren Kunden gerne in die Zukunft und verproben neue Ansätze und Technologien. Diese Art der Zukunftsforschung ist gerade jetzt wichtig, da durch viele neue Ansätze durchaus der Druck auf die Krankenkassen wächst, diese Ansätze zumindest zu diskutieren bzw. bestenfalls zu adaptieren. Wir freuen uns auf diese neuen und spannenden Ansätze und machen sie für unsere Kunden erlebbar.
Michael Schaaf: Ich habe ja schon eingangs gesagt, dass wir in die Zukunft investieren. Themen wie Conversational AI, z.B. in Form von Chat GPT, oder das Thema Blockchain sind in diesem Zusammenhang für uns von großer Bedeutung. Für die hc:VISION ist es dabei wichtig, Lösungsansätze ganzheitlich zu betrachten und nicht lediglich bestimmte Technologien im Sinne einzelner Produkte. Wir stellen uns daher die Frage, wie die Krankenkasse von Morgen insgesamt aussieht und wie z.B. Blockchain und KI zusammenspielen können, um hier einen echten Mehrwert zu bieten. Jörg sagte es bereits: Wir werden uns dazu kurzfristig auch personell verstärken.
Soviel sei verraten: Unsere Kunden dürfen hier schon bald spannende Konzepte erwarten…